Ein “Spiel” im Metaverse soll Einfluss auf unsere Gesellschaft haben? Hatten Sims oder World of Warcraft doch auch nicht. Decentraland ist nur teilweise ein Spiel, es ist auch ein virtuelles Pendant der Realität. In dem wir Land kaufen können, Räume erschaffen und unseren Avatar mit allem ausstatten können, was wir sonst auch im wahren Leben brauchen: Kleidung und Möbel beispielsweise oder auch Kunstwerke für die Wände unseres virtuellen Heims.
Mit dem Metaverse erschafft die Menschheit sich gerade eine zweite Realität.
Wir erschaffen uns also gerade eine zweite Realität. Lasst uns einmal gemeinsam schauen, wie sich dieses virtuelle Leben gerade gestaltet und welche Regeln gelten. Um dies zu verstehen, müssen wir ein paar Jahre zurückgehen an die Anfänge der Blockchain. Diese Technologie ist nämlich das Fundament vom Decantraland-Metaverse – und Online-Gaming spielte damals schon eine wichtige Rolle.
Vitalik Buterin: einer der einflussreichsten Menschen im Jahr 2021
Darf ich vorstellen: Vitalik Buterin. Kennen Sie nicht? Sollten Sie aber, er ist einer der einflussreichsten Menschen unserer Zeit. Wir reden von einem heute 28 Jahre alten Wunderkind der Mathematik, das es schon seit einigen Jahren zum Milliardär gebracht hat. Das alleine ist zwar schon beeindruckend, aber nicht der Grund, warum ich heute über ihn schreibe. Vitalik hat als Teenager nächtelang World of Warcraft gespielt. Eines Tages hat der Spielehersteller beschlossen, die Kräfte einer Figur abzuschwächen. Einfach so. Vitalik hatte sich in den Schlaf geweint vor Enttäuschung. Und wie das oft so ist im Leben mit Krisen: wir lernen daraus und treffen Entscheidungen, die unser Leben verändern. Bei Vitalik war es die Erkenntnis, was zentrale Machtstrukturen wirklich bedeuten. Die Entscheidungsmacht liegt alleine beim Hersteller und nicht bei denjenigen, die das Spiel zum Leben erwecken und weiterentwickeln: den Spielern und den Entwicklern. (Quelle)
Quelle: https://time.com/collection/100-most-influential-people-2021/6095980/vitalik-buterin/
Das war 2011, Bitcoin steckte noch in den Kinderschuhen, aber Vitalik erkannte das Potential: Der Konsensus Mechanismus der Blockchain macht den Weg frei für das bislang Unmögliche: ein dezentrales, transparentes, sich gegenseitig kontrollierendes Netzwerk, das ohne zentrale Kontrollinstanz funktioniert. Bitcoin wurde ausschließlich für Finanztransaktionen entwickelt. Vitalik konzipierte eine Blockchain, die das Bitcoin-Prinzip aufnahm, aber schneller ist und als generelle Anwendungsplattform dienen sollte. In Ethereum können Verträge digital abgebildet werden – damit war das Fundament gelegt für komplett aus Code bestehende, dezentrale Unternehmen.
2016: Das erste komplett aus Code bestehende Unternehmen wurde vom Deutschen Christoph Jentzsch gegründet
Was sich erst einmal sehr abstrakt anhört, ist gar nicht zu unterschätzen, was den Einfluß auf unsere Gesellschaft angeht. Schauen wir es uns gemeinsam näher an. Christoph Jentzsch aus Thüringen – einer der Ethereum Pioniere und gut bekannt mit Vitalik Buterin – wollte ein Blockchain-Startup gründen und war auf der Suche nach Kapital. Anstatt zu den typischen Risiko-Kapitalgebern des Silicon Valleys zu gehen, gründete er die erste DAO: Decentralized Autonomous Organization in der Ethereum Blockchain. Ein Unternehmen ohne Geschäftsführer, ohne Sitz in einem Land, bestehend nur aus Code. Jeder der wollte, konnte Anteile an dem Unternehmen erwerben und besaß damit Stimmrecht über die Weiterentwicklung des Unternehmens. Die Entscheidung für die DAO war eine Entscheidung, das alleinige Stimmrecht abzugeben. Obwohl vor 6 Jahren noch revolutionär, sammelte die DAO zeitweise Token im Gegenwert von über 220 Milliionen Dollar ein – komplett durch den Ablauf eines Codes – die größte Crowd-Funding Aktion der Geschichte. Leider war dieser nicht ganz sauber programmiert, es wurde durch eine Lücke im Code Geld abgezweigt. Der erste Versuch ist also gescheitert, hat aber damals schon gezeigt, wohin die Reise geht: eine ganz neue Form der Organisation war geboren. (Quelle) Keiner alleine bestimmen, läuft der Code einmal los, regelt er alles Weitere. Der fulminante Start hat schon in den Anfängen gezeigt, welche Faszination dies auf uns Menschen hat.
2022: 180 DAOs mit mehr als 10 Milliarden $ Kapital
Von da an entwickelte sich die DAO in rasender Geschwindigkeit weiter. Mittlerweile existieren rund 180 DAOs mit insgesamt mehr als 10 Milliarden $ Kapital (Quelle). Die wohl bekannteste ist das Decentraland, seit 2021 DER “Geheim”tipp von Anlageberatern – nicht zu unrecht: wer von einem Jahr in MANA (dem Token von Decentraland) investiert hat, konnte seine Einlage verdreißigfachen. Not too bad. Anleger investieren grundsätzlich in die Zukunft, ein Zeichen dafür, dass der DAO großes Potential zugesprochen wird. Im direkten Vergleich hat die Aktie von “Meta” – der klassischen Unternehmensform – “nur” um rund ein Drittel zugelegt. Facebooks Metaverse ist mit seinem Geschäftsmodell des intransparenten Auswerten von Daten wohl weit weniger attraktiv.
Ist das Metaverse der Zukunft ist also dezentral und selbstorganisiert? Also ohne “richtigen” CEO, ohne “richtige” Manager? Das müssen wir erstmal sacken lassen.
Decentraland: Ein Blueprint für die Organisation der Zukunft?
Wie sieht dies nun genau aus? Zuerst einmal: Vom Decentraland kann man keine Aktien kaufen, sondern “Token” – also Wertgutscheine, Damit gehört Dir ein Teil vom Decentraland – soweit kein Unterschied zur klassischen Aktiengesellschaft. Doch wir befinden uns ja in einer DAO – bedeutet, Du kannst konkrete Vorschläge machen, wie Decentraland weiterentwickelt werden soll. Sollen Regeln verändert werden, sollen neue Marktplätze eingerichtet werden oder was auch immer den MANA Besitzern relevant erscheint – all das können MANA Besitzer vorschlagen oder darüber abstimmen. Die DAO zeigt, wie transparente Organisation funktioniert
DAO: Prinzip Transparenz
Jeder kann sehen, wer welche Vorschläge gemacht hat, wer wie gestimmt hat mit welcher Stimmmacht. Hier könnt ihr es euch live ansehen.
Da alles, was im Decentraland passiert, logischerweise auf Code basiert, gibt es ein “Security Advisory Board”. Diese können die Smart Contracts überprüfen und im Notfall ersetzen durch eine fehlerfreie Version – vorausgesetzt, mindestens drei Mitglieder des Boards haben dafür gestimmt, Gegenstimmen sind nicht zulässig.
Was mit “agil” begann, erreicht nun die nächste Stufe
Einmal wieder ist es Informationstechnologie, die Arbeitsweisen massiv verändert. Agile Arbeitsweisen wie SCRUM haben damit begonnen, Arbeitsweisen neu zu denken: Selbstorganisation und “Servant Leadership” wurden in ein Rahmenwerk gegossen. Seitdem sind sie in aller Munde, in vielen Unternehmen teilweise im Einsatz, wenn auch nur selten über die gesamte Organisation. Mit DAOs erreichen wir nun die nächste Stufe. Dies wird sicher auf reale Organisationen zurückspielen. Wenn ich Organisationen sage, meine ich mehr als Unternehmen oder Institutionen. Wenn etwas im Metaverse funktioniert, warum nicht auch auf gesellschaftlicher Ebene. Wird unsere virtuelle Erfahrung mit DAOs hinterfragen, wie wir Mitbestimmung, Wahlen gestalten? Wenn wir eine Ahnung davon bekommen, was Transparenz in virtuellen Organisationen bedeutet, welche Wirkkraft wird dies auf die Realität haben? Wir werden es erleben.
Digitalisierung verändert. Alles.