Digitale Geschichten

Kryptos im Ukraine-Krieg: Vier Menschen, die viel bewegt haben

Die letzten beiden Wochen haben gezeigt, dass Kryptos zum ersten Mal in der Geschichte in einem Krieg eine Rolle spielen. In Deutschland vielleicht kaum vorstellbar. Hier haben nur 2.61% der Bevölkerung eine Krypto-Wallet. In der Ukraine sind es fünfmal so viele. Das Land hat zudem eine der größten Blockchain Communities der Welt. In Sekunden wurden Millionen an Spendengeldern eingesammelt.Ich möchte Euch in diesem Beitrag vier Menschen vorstellen, die Millionen für die Ukraine über Kryptos eingesammelt haben: zwei Russen, zwei Ukrainer. Minister und Privatpersonen.

Mykhailo Fedorov

No alt text provided for this image

Mykhailo Fedorov ist Vizepräsident der Ukraine und Minister für Digitales. Davor hat er 2013 eine eigene Nachrichtenagentur gegründet. Als Wolodymyr Selenskyj sich entschieden hat, als Präsident zu kandidieren, hat er die Wahlkampfleitung übernommen.

Schon zwei Tage nach Ausbruch des Krieges am 26.02. hat er über die Sozialen Netzwerke drei Kryptowallet-Adressen bekannt gegeben, über die an die Ukrainische Regierung gespendet werden kann. Wiederum zwei Tage später sind auf die genannten Wallets rund 30 Mio $ eingegangen, nach einer Woche waren es 50 Mio $, es bleibt spannend, wieviel Gelder noch eingesammelt werden.

No alt text provided for this image

Es war faszinierend zu sehen, in welch regem Austausch über Twitter Mykhailo Fedorov mit der Krypto-Community steht. Ein Beispiel: Als einer der Mitbegünder der Krypowährung Polkadot ankündigte, 5 Mio $ zu spenden, wenn eine Polkadot Adresse eingerichtet würde – was natürlich prompt geschah. Airdrops, NFTs, Kryptos – in allen Aktionen zeigt sich die Expertise des Ministers. 

Abgesehen vom Krypto-Thema war er es auch, der Elon Musk direkt über Twitter angeschrieben hat und um Aktivierung von Starlink in der Ukraine gebeten hat. Der Grund, warum die Ukraine bis heute online ist.

Michael Chobanian

No alt text provided for this image

Kommen wir zu dem Mann, der die Polkadot Wallet für die ukrainische Regierung eingerichtet hat: Michael Chobanian ist Gründer der urkainischen Krypto-Börse Kuna. Auch er musste von seinem zu Hause fliehen. In einem bewegenden Interview berichtet er, dass er alle seine Besitztümer bis auf zwei Autos und seine Krypto-Assets zurücklassen musste. Kurz vor Kriegsbeginn hat er seine Mitarbeiter und die Infrastruktur außer Landes geschafft, damit der Kryptohandel weitergehen kann. Zum Glück ist ihm das gelungen. Am 24.2.2022, dem Tag des Kriegsausbruchs, hat sich das Handelsvolumen an seiner Kryptobörse verdreifacht auf knapp 5 Millionen Dollar.

Er setzt sich seit Kriegsbeginn für die Dokumentation der eingegangenen Spenden auf Twitter ein. 

Nadya Tolokonnikova

No alt text provided for this image

https://de.wikipedia.org/wiki/Nadeschda_Andrejewna_Tolokonnikowa#/media/Datei:Nadezhda_Tolokonnikova_w%C3%A4hrend_einer_Paneldisskusion_auf_der_republica_2015-cropped.jpg

Sicher das außerhalb der Krypto-Szene prominenteste Gesicht: die Russin Nadya Tolokonnikova ist bekannt geworden als Mitglied der feministischen Punkband Pussy Riot. Sie wurde 2012 zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt, weil sie in einer christlich orthodoxen Kirche eine Putin-kritische Aktion durchgeführt hat. 

Nadya ist in der Krypto-Szene schon lange aktiv, da für sie die Prinzipien der Transparenz, Dezentralität und Offenheit für die Gesellschaft der Zukunft stehen. 

Sie hat ihre Bekanntheit schon früh genutzt, um die Spendenmöglichkeit über die UkraineDAO zu promoten. Über die DAO können direkt Spenden eingezahlt werden, sie hat zudem ein NTF der ukrainischen Flagge zur Versteigerung angeboten. Dadurch sind mehr als 6 Mio $ an Spendengeldern zusammengekommen. 

Am 7. März war sie Sprecherin in einem Twitter Space mit mehr als 26.000 Teilnehmern. Dort hat sich eindrücklich beschrieben, dass die DAO eine Möglichkeit ist, als Gemeinschaft zielgerichtet Spenden zu sammeln. “In der Krypto-Community ist die Ukraine das Hauptthema, jeder weltweit möchte helfen, über eine DAO ist dies rasend schnell möglich.”

 

Vitalik Buterin

No alt text provided for this image

Vitalik Buterin ist konzeptioneller Gründer der zweitgrößten Blockchain Ethereum. Er ist ein mathematisches Wunderkind. Schon früh wollte er zentralistisches Systemen, in denen wenige bestimmen, etwas entgegensetzen. Vitalik ist geborener Russe und lebt heute in Kanada. In diesem Jahr wurde er vom Forbes Magazin zu den 30 einflussreichsten Menschen unter 30 gewählt. Er ist einer der führenden Köpfe der Krypto-Welt. 

Schon am Tag des Kriegsausbruchs hat er sich klar positioniert und den Angriff Putins verurteilt.

No alt text provided for this image

https://twitter.com/VitalikButerin/status/1496695587495981056?s=20&t=BFwLYaOuw8JtUEI7xDBtBA

Leider sind auch einige unseriöse Trittbrettfahrer auf den Krypto-Spenden-Zug aufgesprungen. Nicht verifizierte Accounts auf Twitter beispielsweise haben sich entweder als ukrainische Flüchtende oder als humanitäre Organsation ausgegeben. Vitalik Buterin hat mitgeholfen, seriöse Adressen zu bestätigen. 

Zudem hat er die UkraineDAO – eine dezentrale autonome Organisation – die Spendengelder für die Ukraine sammelt, technisch unterstützt und seine Reichweite eingesetzt, um Sichtbarkeit zu erzeugen. 

Was macht Krypto besser? 

Was ist an den Geschichten so besonders? Hätten wir nicht den gleichen Effekt erzielen können über die humanitären Organisationen oder über ein GoFundMe? 

Jein. Zunächst einmal sollen und wollen die hier beschriebenen Initiativen kein Ersatz zu den üblichen Spendenaktionen sein, sondern eine Ergänzung. Es geht also nicht um ein entweder/oder, es ist ein “sowohl, als auch”. 

Geschwindigkeit & Transparenz

Krypto funktioniert unabhängig vom klassischen FIAT Bankensystem. In der Ukraine haben viele Kreditkarten nicht mehr funktioniert, internationale Überweisungen dauern oft Tage oder wurden komplett blockiert. Eine Transaktion von einer Wallet auf die andere können wir live mitverfolgen, sie ist innerhalb von Sekunden höchstens Minuten durchgeführt.

Das hat mehrere Vorteile. Als Spendende sehen wir, wie der gespendete Betrag auf die Wallet eingegangen ist, gleichzeitig sehen wir, wieviel Spenden insgesamt auf eingezahlt wurden – ein nicht zu unterschätzender psychologischer Effekt – der “Social Proof”. Zum anderen erzählten einige Flüchtende, dass sie Kryptos gegen Bargeld getauscht haben von Personen, die ebenfalls über eine Wallet verfügten. Zugegeben, bei den wenigen Menschen, die erst über eine Wallet verfügen, ist das ein wenig wie die Nadel im Heuhaufen zu finden, es soll hier den konkreten Nutzen von transparenten Transaktionen in Höchstgeschwindigkeit zeigen.

Gemeinschaft

Besonders Nadya Tolokonnikova hat eindrücklich beschrieben, wie schnell und zielgerichtet geholfen werden kann. 

Noch nie wurde einer Regierung weltweit über eine Crowdfunding Aktion Mittel bereitgestellt, um nicht zu humanitäre Hilfe zu leisten, sondern auch um Waffen zu kaufen. Sicher auch dem großartigen Auftritt von Wolodymyr Selenskyj zu verdanken, der über seine Social Media Auftritte die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf diesen Krieg gerichtet hat. Ich würde dies als Wendepunkt in der Geschichte bezeichnen.

Und ja, den Ankauf von Waffen über Spendengelder kann man sicher diskutieren. Über GoFundMe oder Spenden an humanitäre Organisationen wie beispielsweise das Rote Kreuz wäre das sicher niemals möglich gewesen. Kryptos lassen sich nicht zensieren. Im Guten wie im Schlechten.

Die größte Herausforderung unserer Zeit ist es, sich eine Welt vorstellen zu können, die ganz anders ist als alles, was wir kennen.