Digitale Geschichten

Lacht doch mal! Big Data & Humor

Sagt ehrlich: Wieviel Werbung schaut ihr euch wirklich an? Lest ihr die gesponserten Posts in euren LinkedIn oder Twitter-Feeds? Wenn ich schätzen müsste: mindestens 95% der Werbung langweilt mich dermaßen, dass eher der gegenteilige Effekt erzielt wird. Ich verbinde etwas Negatives mit der Brand. 

Was ist mit den verbleibenden geschätzten 5%? Das ist Werbung, die unterhält. So wie diese hier: 

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Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=YyTJYI-JpHU

Die “supergeil” Werbung mit Friedrich Liechtenstein für EDEKA. Das war tatsächlich schon 2014, es kommt mir vor, als wäre es gestern. Obwohl ich den Clip schon mehrfach gesehen habe, habe ich auch diesmal wieder von Anfang bis Ende geschaut, gegroovt und gelacht. 

Wer uns zum Lachen bringt, hat Sympathiepunkte

EDEKA hat damals jede Menge positive Aufmerksamkeit bekommen, Werbung mit Humor zahlt sich also aus. Das bestätigt die aktuelle Studie von Oracle zu dem Thema. Wenn ihr euch jetzt fragt, wieso gibt ausgerechnet ein Technologiekonzern solch eine Studie in Auftrag, die sind doch keine Marketingagentur? Ehrlich gesagt, habe ich mich das auch gefragt. Bis ich versucht habe, dem Humor auf die Schliche zu kommen.

Was genau bringt uns zum Lachen?

Das mit dem Humor ist nämlich ganz schön tricky. Wir lachen, wenn Grenzen überschritten werden, Erwartungen nicht eingehalten und mit Konventionen gebrochen wird. Für Brand Marketing nicht ganz einfach – sonst würden es ja alle machen. Und wir erinnern uns: nichts ist peinlicher als ein Witz, der nicht zündet. Da möchte man sich am liebsten unter dem Tisch verkriechen.

Mit Big Data das Risiko der Peinlichkeit reduzieren

Nicht umsonst gelten Komödianten, Humoristen als feinsinnige, sensible und sprachgewandte Menschen. Wer andere zum Lachen bringen will, bewegt sich auf einem schmalen Grat – je größer der Lacher, umso mehr schlägt der Pegel vom Bruch mit Konventionen Richtung Tabubruch aus. Da kann der erwünschte Effekt rasend schnell ins Gegenteil kippen. Ausgrenzung, Wut, Empörung sind Emotionen, die man in der Werbung so gar nicht haben will.

Und genau an dieser Stelle schließt sich der Kreis zur Technologie. Je deutlicher ich mich an die Grenzüberschreitung wage, umso genauer muss ich meine Zielgruppe kennen. Und da wären wir dann bei den Daten: Nur wer seine Kunden kennt, von Alter, Geschlecht, Einkommen, politische Sichtweise, Haltung, Hobbies bis zu den Gewohnheiten, (die Liste lässt sich sicher noch lange fortsetzen), kann das Risiko minimieren, den “falschen Witz” zu erzählen. 

Humor erfordert die hohe Kunst der Kommunikation

Obwohl ich bekanntermaßen technikverliebt bin, sehe ich hier durchaus die Grenzen. Daten helfen mir, meine Kunden besser zu kennen – damit kann ich das Risiko minimieren. Die Fähigkeit, eine richtig gute Geschichte zu erzählen, ist etwas (noch?) typisch Menschliches. Humor erfordert nämlich vor allen Dingen eines: die hohe Kunst der Kommunikation. Das feine Gespür für Zwischentöne, für Subtiles, für Sprachwitz. Beispiel Edeka aus dem Supergeil Commercial: “Super Uschi, super Muschi, super Sushi”. Zugegeben, das ist jetzt weniger subtil und mehr Sprachwitz, aber ihr seht hoffentlich, was ich meine. Vielleicht findet auch das der eine oder die andere gar nicht lustig. Dann sind das hoffentlich genau die Menschen, die sowieso nicht bei EDEKA einkaufen würden. Was auf der einen Seite verbindet, spaltet halt auch auf der anderen Seite. 

Wahr ist auch: Humor verbindet – durch Ausgrenzung.

Auch das ist EDEKA passiert. Sie haben schon einen echten Fehlgriff hingelegt mit einer Werbung zum Muttertag. Hier wurde ihnen Männerfeindlichkeit nachgesagt verbunden mit dem Vorwurf, einfach nur billig Stereotype zu bedienen. 

Humor braucht Mut. Der Lohn ist Aufmerksamkeit

Machen wir uns nichts vor: Humor erfordert Mut und Meister des Fachs. Der Lohn ist Aufmerksamkeit, die als solche natürlich immer nach hinten losgehen kann. Wenn es einfach wäre, würden wir deutlich mehr Werbung mit Humor sehen. 

Schauen wir uns Werbung aus einer ganz anderen Branche an, die – wie ich finde – deutlich näher an die Grenzüberschreitung geht und das schon seit vielen Jahren. Ich habe im Leben einige Zeit auf Bahnhöfen und Flughäfen verbracht. SIXT war immer präsent und hat bei mir für viele Lacher gesorgt, während ich am Gepäckband auf meinen Koffer gewartet habe. Müsste ich aus dem Stand einen Autovermieter nennen, wäre es wohl SIXT – dank der Werbung. 

Hier eine Kostprobe des aktuellen Plakats: 

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Quelle: https://twitter.com/SixtDE/status/1545097518542983168?s=20&t=k4Xm9-eHHgMZrPuhuPujkg

Nun könnten wir sagen, in Deutschland Witze auf Kosten von Boris Johnson zu machen, sind “low hanging fruits”. Es liefert die Steilvorlagen in Serie und hat hierzulande vermutlich nicht viele glühende Anhänger. Die Gefahr, in Deutschland  jemanden zu verprellen, ist gering (und in Großbritannien wohl mittlerweile auch).

Mutiger finde ich da schon dieses Plakat:

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Quelle: https://twitter.com/SixtDE/status/1516798859195949058?s=20&t=k4Xm9-eHHgMZrPuhuPujkg

Damit werden die großen politischen und gesellschaftlichen Themen rund um die Pandemie gestreift. Xavier Naidoo hat vermutlich (immer noch) viele Fans in Deutschland. Da sind wir wieder bei der Gratwanderung. Wenn es nicht ein bisschen riskant ist, wird es langweilig.  Das kann man der SIXT Werbung sicher nicht vorwerfen. Ob sie schon Kunden vergrault haben, wissen wir nicht.

In Zahlen ausgedrückt: Laut Oracle Studie haben sich schon 37% der Befragten von einer Marke abgewandt, weil sie sich verletzt gefühlt haben. Da sind wir wieder bei der Zielgruppengenauigkeit. Lieber weniger Fans, dafür aber sehr verbundene? Kommt vielleicht auf die Marke und die Branche an. Da würde mich die Sichtweise eines Marketingexperten interessieren. 

Drückt sich humoristische Werbung in mehr Umsatz aus? Vermutlich, sonst würden Unternehmen diese Werbestrategie nicht so lange durchziehen. Ein unangepasstes Image hat sich SIXT damit definitiv aufgebaut. Würde ich deshalb eher von SIXT ein Auto leihen als von einem anderen Anbieter? Ich weiß nicht. Da vergleiche ich dann doch eher Preis und Leistung miteinander. 

Der Preis der Aufmerksamkeit

Bei der Recherche zu diesem Text kam ich an einem Event natürlich nicht vorbei. Das Highlight der Werbebranche: das Superbowl Finale. Ein 30 Sekunden Werbespot kostet wohl aktuell bis zu 7 Mio US Dollar. Viele Ikonen der Werbung haben hier schon auf Humor gesetzt. Budweiser ist berühmt dafür, aber würden wir das auch deutschen Unternehmen zutrauen? VW hat es 2011 gewagt mit “The Dark Side”. 

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Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=AePr-8n1STQ

Die Werbung war ein Erfolg, das Commercial wurde mehrere Millionen mal angeklickt. Vielleicht zu erfolgreich? Es hat nämlich einen Gegenspieler auf den Plan gerufen. Kein Wettbewerber, was es vielleicht sogar gefährlicher gemacht hat. Es war Greenpeace, die die Storyline aufgegriffen und in einen neuen Kontext gebracht haben. Zeigt erneut, wer auf Humor setzt, muss sich seiner Kommunikationsfähigkeiten absolut sicher sein. Hier wurde der rosa Elefant des Klimaschutzes aufgegriffen und konnte damit von VW nicht mehr elegant ignoriert werden. 

Zum Schluß noch was richtig Gutes? Bitte schön:

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Quelle: https://www.horizont.net/agenturen/nachrichten/Philipp-und-Keuntje-Astra-und-die-speckige-Neuinterpretation-des-Sixpacks-137063

Na? Gelacht? Ich auch. Astra als Bier ist mir ab jetzt auf jeden Fall ein Begriff, obwohl ich nicht aus Hamburg komme. So wird eine Marke zum Kult. Würde ich mir ein Astra kaufen? Ja, obwohl ich mir unsicher bin, ob ich zur Zielgruppe gehöre. Darauf möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen. 🙂

Zum Abschluß noch eine Bemerkung zum Humor abseits der Werbung. Lachen tut nämlich immer gut. Auch im Arbeitsalltag.

Humor wirkt überall

Lachen entspannt und lachen verbindet, wie wir gelernt haben. Gerade in stressigen Zeiten eine hehre Aufgabe gerade für Führungskräfte, ein Ventil zu schaffen. Damit das nicht daneben geht, habe ich einen ziemlich sicheren Tipp: Einfach einen Witz über sich selber machen. Wer über sich selber lachen kann, wirkt sympathisch, schafft Nähe und stellt die gerade für Führungskräfte so wichtige Fähigkeit zur Kommunikation unter Beweis – und verletzt nicht unbeabsichtigt einen Dritten.