Einer DER wichtigsten Aufgabe in unserer Zeit ist es, sich über die Zusammenarbeit in einer komplexen Welt Gedanken zu machen. Das ist sehr abstrakt und wenn die Geschäfte gut laufen, sehen die wenigsten eine Notwendigkeit. Nichtstun ist natürlich immer eine Option, aber auch diese hat Konsequenzen. Heute soll es darum gehen, wie sich Organisationen verändern müssen, um im Digitalen aus dem Meer der Möglichkeiten schöpfen zu können.
Beginnen wir mit der Frage, warum sich Organisationen überhaupt weiterentwickeln sollten? Wir haben doch Daten im Überfluss und die Technologie, diese auszuwerten. Funktioniert doch automatisch, oder? Nähern wir uns dem Thema über eine vermeintlich einfache Frage: Wie sieht ein Elefant aus?
Wer diese einigermaßen erfassen will, braucht verschiedene Perspektiven. Wer in seinem ganzen Leben nur Elefanten von hinten gesehen hat, weiß nicht, dass diese einen Rüssel haben. Wer einen Elefanten korrekt darstellen will, muss also Menschen im Team haben, die Elefanten von hinten, von vorne und von der Seite kennengelernt haben. Was sich so trivial anhört, scheitert in der Realität leider immer noch viel zu oft. Warum eigentlich?
Komplexität braucht Vielfalt
Verschiedene Perspektiven und Lebensrealitäten im Team zu vereinen, ist Diversity. Wir sehen schon, Vielfalt ist kein Buzzword, sondern eine absolute Notwendigkeit, um im Digitalen zu überleben. Lasst uns das Beispiel weiterdenken, in dem wir Vielfalt in unser Team aufnehmen – beispielsweise die weibliche Sichtweise. Was passiert nun?
Vielfalt braucht Kommunikationskompetenz
Nehmen wir einmal an, die Männer gehören zu denen, die Elefanten immer nur von hinten gesehen haben. Nun kommen die Frauen ins Spiel. Sie haben Elefanten immer nur von vorne gesehen. Die Gefahr besteht nun, dass beide Gruppen in einen Streit geraten, wie ein Elefant nun aussieht. In solchen Situationen gewinnt meist die mächtigere Gruppe. Wir sind also der komplexen Realität im Grunde keinen Schritt weitergekommen. Es braucht noch eine weitere Kompetenz: die Kommunikation.
Statt in „entweder/oder besser in „sowohl/als auch“ Kategorien denken
Wir kennen es aus Social Media, besonders wenn es um Politik geht: Wir haben sehr viel Meinung. Wer am lautesten brüllt, die Empörungsmaschinerie am besten anheizt, gewinnt die Deutungshoheit. Leider nicht die Art von Kommunikation, die uns weiterbringt. Es geht ums Zuhören, es geht darum, sich in die Position des anderen hineinzuversetzen. Je komplexer die Aufgabenstellung, umso weniger wahrscheinlich ist ein linearer Ursache-Wirkungszusammenhang. Wir müssen lernen, dass jede Sichtweise ihre Berechtigung hat. Es geht immer weniger darum, sich mit der eigenen Meinung durchzusetzen, sondern das eigene Bild mit dem von anderen zu ergänzen. Erst dann setzt sich ein Bild von einem Elefanten zusammen, das der Realität entspricht.
Die Checker haben ausgedient
Entweder/oder Haltung heißt faktisch: Wenn der andere Recht hat, habe ich „verloren“. Eine Sackgasse. Es geht vielmehr darum, verschiedene Sichtweisen zu einer Gesamtsicht zu ergänzen – wie ein Puzzle sozusagen. Wer das verstanden hat, entwickelt sich gemeinsam weiter. Wir könnten auch sagen, die Summer aller (Einzel)Teile ist mehr als das Ganze.
Auch Daten brauchen Vielfalt
Die gilt erst recht im Digitalen. Wir haben Daten im Überfluss. Wir sollten uns allerdings nicht der trügerischen Illusion hingeben, aus Daten würden Maschinen automatisch die richtigen Erkenntnisse gewinnen. Die oben beschriebenen Prinzipien sind gerade dann essentiell. Ohne uns dessen bewusst zu sein, spiegeln Erkenntnisse aus Daten immer unsere eigene Lebensrealität wider. So kommt es dann zu einem sexistischen Schneeräumer.
Der sexistische Schneeräumer
In Schweden wurden die Routen für Schneeräumer per KI optimiert. Eine Initiative für gesellschaftliche Gleichstellung untersuchte, ob Schneeräumer Männer bevorzugen. Long Story short: Ja, machen sie. Die Datengrundlage für die Routenberechnung wurde von männlichen IT-Spezialisten ausgewählt. Diese fuhren jeden Tag mit dem Auto zur Arbeit. Unwillkürlich wurden nur die Bewegungen von Autos in die Berechnung mit einbezogen. Das Ergebnis: Die überwiegende Mehrheit der schweren Unfälle bedingt durch Schnee und Glatteis betraf Fußgänger, von denen 69 Prozent Frauen waren.
Wir sehen: Schon in der Auswahl der Daten spiegelt sich Perspektivenvielfalt wieder oder eben auch nicht. Bei der Optimierung der Schneeräumer würde ich sicher keine böse Absicht unterstellen, es fehlte schlichtweg eine andere Sichtweise. Dies wäre auch nie aufgefallen, wenn nicht eine andere Behörde die Ergebnisse überprüft hätte.
Das Tückische: Wir wissen nicht, was wir nicht wissen
Falls Sie jetzt denken: „Ja wunderbar, einmal entdeckt, können wir die Daten ja leicht ergänzen und alles ist gut.“ Leider ist das in der Welt der Datenanalyse nicht so trivial, wie ein anderes Beispiel zeigt: Amazon hat schon vor einigen Jahren eine Software entwickelt, die automatisch mittels Mustererkennung die besten Kandidaten für einen Job aussuchen sollte. Die Datengrundlage waren die Lebensläufe der Personen, die sich in den letzten 10 Jahren beim Unternehmen beworben hatten. Da dies überwiegend Männer waren, hat der Algorithmus Männer bevorzugt. Die Daten wurden nun angepasst, das Geschlecht des Bewerbers war nicht mehr erkennbar und damit für die Datenauswertung kein Attribut mehr. Die Überraschung: Trotzdem wurden immer noch Männer höher bewertet als Frauen, weil bestimmte Sprachmuster, die eindeutig Männern zugeordnet werden, dominierten.
Das Beispiel zeigt: Vielfalt bringt die besten Ergebnisse (nicht nur) aus Daten. Wir müssen also Projekte von Anfang an Silo-übergreifend aufsetzen. Ein letztes Beispiel aus der Bilderkennung soll uns dies noch einmal belegen.
Der vermeintliche Tiger
Im Bild unten (vielen Dank an AI4Diversity für den Post hier auf LinkedIn) erkennt die Object Detection von Google einen Tiger und einen Zaun.
Schon beim ersten Bild würde ein Mensch zumindest Zweifel haben, ob es sich wirklich um einen Tiger handelt. Die Steifen sind schon sehr gleichmäßig. Sobald sich das Tier bewegt, wird klar: der Tiger ist ein Hund.
Wir lernen: Kontext ist wichtig – oder anders ausgedrückt: Das Digitale zwingt uns, über den Tellerrand hinaus zu schauen.
Ohne Kommunikationskompetenz sind Daten kein Gold, sondern Schrott
Für Organisationen gilt: Wir müssen Silos aufbrechen: Sowohl kulturelle als auch organisatorische und unsere Fähigkeiten zur Kommunikation ausbauen: Wer nicht lernt, zuzuhören, sich in einen anderen hineinzuversetzen, wird zurückbleiben. Schwarz/weiß Denken, Rechthaberei auf Kosten anderer haben ausgedient. Das führt nur zu einer ganz eigenen Realität, die mit der Welt draußen nichts zu tun hat: Dann haben Elefanten keine Rüssel und Tiger fangen an zu bellen.
Wir erkennen: Erst Vielfalt und Zusammenarbeit machen aus Daten Gold. Wer das nicht verstanden hat, hat keine Chance im Digitalen. Das Gute daran: Kommunikation rückt den Menschen wieder in den Mittelpunkt und lässt uns unsere Stärken entfalten. Die Standards werden sowieso von Maschinen übernommen.